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BAG-Entscheidung zur Unwirksamkeit von Verfallklauseln bei ESOP/VSOP-Programmen – Anwendbarkeit der Entscheidung auf MEP-Modelle
March 27, 2025
By Dr. Christopher Wolffand Mahmood Kawany
A. Sachverhalt u. Problemaufriss
- Sachverhalt
Das Bundesarbeitsgericht ("BAG") hat am 19. März 2025 entschieden, dass eine Klausel, die als AGB zu qualifizieren ist und regelt, dass zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon "gevestete" virtuelle Optionsrechte sofort verfallen ("Verfallklausel"), den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist. Eine solche Verfallklausel benachteilige den Arbeitnehmer auch dann unangemessen, wenn sie vorsieht, dass die "gevesteten" virtuellen Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der sogenannten "Vesting-Periode" entstanden sind. Das BAG gibt damit seine in 2008 nochmals bestätigte Rechtsprechung ausdrücklich auf.
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag mit dem beklagten Arbeitgeber nach zweieinhalb Jahren durch Eigenkündigung beendet. Der Arbeitnehmer partizipierte am Mitarbeiter-Aktienoptionsprogramm des Arbeitgebers, das eine Vesting-Periode von vier Jahren (samt einem Cliff von einem Jahr) vorsah. Laut dem BAG hatte der Arbeitnehmer sich seine zum Zeitpunkt der Kündigung "gevesteten" virtuellen Optionen verdient und diese wären – aufgrund der Unwirksamkeit der Verfallklausel – nicht nachträglich aufgrund der Eigenkündigung verfallen.
Zu der Entscheidung ist bisher nur eine Pressemitteilung veröffentlicht worden – die ausführlichen Entscheidungsgründe des BAG wurden noch nicht veröffentlicht. Die ausführlichen Entscheidungsgründe werden weitere Klarheit gewähren und können zu einer abweichenden Einschätzung führen.
- Bedeutung der BAG-Entscheidung für Private Equity-Transaktionen
Im Rahmen der bei Private Equity-Transaktionen üblichen Management Equity bzw. Management Incentive Programme (zusammen, "MEP"), bei denen die partizipierenden Anteile an einem MEP-Vehikel ("MEP-Gesellschaft") von einer mit der MEP-Gesellschaft verbundenen Warehouse-Entität erworben werden, wirft die Entscheidung des BAG die Frage auf, ob die gleichsame Anwendung der in dieser Entscheidung getroffenen Wertungen durch die weiteren Bundesgerichte und damit eine Unwirksamkeit solcher Klauseln zu befürchten ist. Betroffen wären vor allem diejenigen Klauseln in der MEP-Dokumentation, die im Falle eines sogenannten Bad Leaver Events eine Call Option oder vergleichbare Gestaltungen zum Rückerwerb der MEP-Anteile zugunsten der MEP-Gesellschaft/Warehouse-Entität vorsehen ("Bad Leaver Klausel").
B. Executive Summary
- Die Entscheidung des BAG bedeutet eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, womit abzuwarten bleibt, wie das BAG sie zukünftig, insbesondere bei Konstellationen, die eine MEP-Beteiligung eines Arbeitnehmers/Angestellten mit einer von der Arbeitgeber Gesellschaft verschiedenen MEP-Gesellschaft betreffen, entscheiden wird.
Die Entscheidung kann sich zudem auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ("BGH") und damit auch auf die Wirksamkeit von Bad Leaver Klauseln bei MEP-Beteiligungen von Geschäftsführern auswirken.
- Aufgrund der unter Ziffer C aufgeführten Gründe ist unserer Auffassung die Anwendung der in der Entscheidung getroffenen Wertungen auf MEP-Beteiligungen (ob durch das BAG hinsichtlich der MEP-Beteiligung von Arbeitnehmern oder durch den BGH hinsichtlich der MEP-Beteiligung von Geschäftsführern und anderen Organmitgliedern) eher unwahrscheinlich und stellt daher derzeit ein eher rein theoretisches Risiko dar.
- Die Entscheidung des BAG hat zudem eine hohe Relevanz für die – über den Gegenstand dieses Artikels hinausgehende – Ausgestaltung von Verfall-/Bad Leaver Klauseln bei ESOP- bzw. VSOP-Programmen, sowie bei Exit-Bonusvereinbarungen, soweit diese einem Vesting unterliegen.
- Bis zur Publikation der Entscheidungsgründe und weiterer Entscheidungen der Bundesgerichte lassen sich vor allem die in Ziffer D aufgeführten Maßnahmen als Möglichkeiten zur Risikominimierung anführen, die im Rahmen der MEP-Strukturierung und -Dokumentation nun umso mehr beachtet werden sollten.
C. Anwendbarkeit der BAG-Entscheidung auf MEP-Beteiligungen
Eine gleichlaufende Entscheidung des BAG bzw. des BGH im Hinblick auf Bad Leaver Klauseln erscheint nach dem jetzigen Stand – zumindest für den Regelfall der im Private Equity-Bereich typischen MEP-Strukturen – eher unwahrscheinlich. Daher sollte an der bisherigen Auffassung festgehalten werden, dass solche Klauseln in der MEP-Dokumentation wirksam geregelt werden können. Diese Einschätzung ergibt sich unserer Auffassung nach aus den folgenden Erwägungen:
- Anwendbarkeit der Entscheidung auf Nicht-Arbeitnehmer
Üblicherweise partizipieren an dem MEP größtenteils (prozentual auf das gesamte Equity gesehen) nur Geschäftsführer und andere Organmitglieder der Portfoliogesellschaften. Diese Personen gelten nicht als Arbeitnehmer bzw. Angestellte i.S.d. Arbeitsrechts. Im Gegensatz zu dem Fall, den das BAG behandelt hat und bei dem die Klägerin Arbeitnehmerin war, ist zum einen der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten versperrt und damit eine Befassung durch das BAG regelmäßig ausgeschlossen. Zum anderen werden weitaus weniger strenge Anforderungen an die Angemessenheit einer Verfallsklausel/Bad Leaver Klausel gestellt, als dies bei Arbeitnehmern der Fall ist.
- Keine Identität von Arbeitgeber Gesellschaft und MEP-Gesellschaft bei MEP-Modellen
2.1. Anders als in dem vom BAG entschiedenen Fall, bei dem der Partizipierende bei derselben Gesellschaft angestellt war, an der er auch die virtuellen Anteile erwerben sollte, ist die Gesellschaft, die als Arbeitgeber fungiert ("Arbeitgeber Gesellschaft"), regelmäßig nicht identisch mit der MEP-Gesellschaft.
2.2. Die MEP-Gesellschaft wird nämlich als eigenständige Gesellschaft eigens für das MEP in der Holding-Struktur vorgesehen. Aus diesem Grund besteht zwischen den Partizipierenden (ungeachtet ob diese Geschäftsführer/Organmitglieder oder Arbeitnehmer sind) und der MEP-Gesellschaft kein Arbeits-, sondern ein rein gesellschaftsrechtliches Verhältnis. Damit ist das BAG wiederum nicht für Rechtsstreitigkeiten in diesem Verhältnis zuständig und eine "Entlohnung" durch die Beteiligung am MEP lässt sich weitaus schwieriger begründen, da die Arbeitsleistung gegenüber einer anderen Gesellschaft, nämlich der Arbeitgeber Gesellschaft, erbracht wird und das MEP regelmäßig auf die Performance der Unternehmensgruppe und nicht allein der Arbeitgeber Gesellschaft abstellt.
- Fehlender Vergütungscharakter der MEP-Beteiligung
3.1. Die Interessenlage der Parteien ist bei einem MEP darauf gerichtet, dass der Partizipierende ein eigenes Investment vornimmt (und damit, anders als bei dem vom BAG behandelten Fall, auch eine gewisse monetäre Investition als Gegenleistung tätigt) und hierdurch u.a. im Falle eines erfolgreichen Exits am Exit-Erlös partizipiert. Der Eintritt eines erfolgreichen Exits hängt wiederum nicht nur von einer gewissen Performance des Partizipierenden, sondern größtenteils von außerhalb seiner Kontrolle liegender Umstände ab. Die etwaigen finanziellen Vorteile aus einer MEP-Beteiligung sollen daher nicht als Teil der Vergütung des Partizipierenden gelten bzw. durch die Leistung seiner Arbeit/Dienste "verdient" werden.
3.2. Hierfür sprechen (i) nicht nur die Motive aus Sicht des Private Equity Sponsors – u.a. Synchronisierung der gemeinsamen Interessen zwischen Investor und Management zur Erreichung eines möglichst hohen Exit-Erlöses sowie "Bekenntnis" des Managements zu dieser gemeinsamen Unternehmung (Skin in the Game) – sondern auch (ii) das steuerlich getriebene Interesse der sämtlichen Partizipierenden, etwaige finanzielle Vorteile aus dem MEP nicht als Teil der Vergütung für die verrichtete Arbeit/Dienste klassifizieren zu wollen (dieses Argument greift bei einer VSOP-Beteiligung aufgrund der anderweitigen steuerlichen Behandlung nicht und konnte daher im Fall wohl nicht als Gegenargument dienen). Zudem kommt der Exit-Erlös vornehmlich den Investoren zugute und dient nicht hauptsächlich der Incentivierung des Managements bzw. der Arbeitnehmer.
3.3. Es wäre somit widersprüchlich, wenn der Partizipierende einerseits seine MEP-Beteiligung als Investment sieht, um die steuerlichen Nachteile einer Qualifikation als arbeitsseitige Vergütung nicht tragen zu müssen, sich andererseits im Falle eines Bad Leaver Events auf die MEP-Beteiligung als Teil seiner Vergütung beruft.
- Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Bad Leaver Events
4.1. Die Rechtsfolgen im Falle eines Bad Leaver Events sind zudem weniger einschneidend als in dem vom BAG entschiedenen Fall. Der Rückerwerb im Falle eines Bad Leaver Events bringt zwar nachteilige finanzielle Folgen für den Partizipierenden mit sich, da – verglichen mit einem Good Leaver Event bzw. einer Veräußerung zum Exit – die MEP-Anteile zu einem wesentlich geringeren Rückerwerbspreis zurückerworben werden, allerdings ist dies wirtschaftlich gesehen nicht per se dem Entfallen der Beteiligung (wie in dem vom BAG entschiedenen Fall) gleichzusetzen. Vielmehr kommt es auf die Regelungen bezgl. der Höhe des Rückerwerbspreises in der MEP-Dokumentation an.
4.2. Der BGH hatte sich in vergangenen Entscheidungen kritisch zu Fallgestaltungen geäußert, die im Falle eines Bad Leaver Events lediglich den Buchwert der MEP-Anteile bzw. einen den Buchwert potentiell unterschreitenden Verkehrswert als Rückerwerbspreis vorsahen.
D. Optimierungsmöglichkeiten bezgl. der MEP-Strukturierung und -Dokumentation
Um das Risiko einer Unwirksamkeit von Bad Leaver Klauseln zu minimieren, sollte soweit möglich, jeglicher Eindruck einer Konnexität zwischen dem Arbeitsverhältnis und der MEP-Beteiligung (als möglichen Angriffspunkt) sowie die Anwendbarkeit von zwingenden deutschrechtlichen Vorschriften vermieden werden. Hierfür sind unter anderem die folgenden Maßnahmen zu beachten:
- Strukturierung des MEPs
1.1. Die MEP-Anteile solten an einer Gesellschaft erworben werden, die weder die Arbeitgeber Gesellschaft noch ein direkter Gesellschafter der Arbeitgeber Gesellschaft ist;
1.2. Die Verhandlung der MEP-Dokumentation und die sonstige Kommunikation gegenüber den Partizipierenden sollten stets über die MEP-Gesellschaft/dem Deal Team und nicht durch die Arbeitgeber Gesellschaft bzw. ihre Organe erfolgen;
1.3 Auf Seiten der der Partizipierenden sollte ebenfalls ein Anwalt handeln (und dies den Partizipierenden bei der Ansprache ausdrücklich und nachweisbar nahegelegt werden – und es sollte in dem Zusammenhang auch nicht kommuniziert werden, dass die MEP-Dokumentation nur wie zur Verfügung gestellt akzeptiert wird), um den Eindruck eines einseitigen Stellens der Bedingungen und damit das Thema AGB-Kontrolle abzuschwächen; und
1.4. Idealerweise sollte es sich bei der MEP-Gesellschaft um eine Gesellschaft ausländischer Rechtsordnung handeln und die MEP-Dokumentation dem Recht einer anderen Rechtsordnung unterworfen werden, um die Anwendbarkeit deutschrechtlicher Regelungen zumindest nicht nahezulegen. Es ist jedoch zu beachten, dass es sich bei der AGB-Kontrolle in diesem Zusammenhang grds. um zwingendes Recht handelt, das nicht ohne Weiteres umgangen werden kann.
- Dokumentation
2.1. Der Arbeitsvertrag und die MEP-Dokumentation (einschließlich etwaiger Term Sheets, die im Vorfeld vereinbart werden) sollten strikt in getrennten Dokumenten abgeschlossen und nicht in denselben Verträgen vermengt werden.
2.2. Es sollten keine Bezugnahmen auf eine (bestehende oder potentielle) MEP-Beteiligung in den Arbeitsverträgen enthalten sein (notwendige Bezugnahmen auf das Arbeitsverhältnis im Rahmen u.a. der Leaver-Regelungen in der MEP-Dokumentation erscheint nach derzeitiger Rechtslage hingegen zulässig).
2.3. Die MEP-Dokumentation sollte den Abschluss einer sogenannten Schiedsgerichtsvereinbarung vorsehen, die regelt, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem MEP nicht der ordentlichen bzw. Arbeits-Gerichtsbarkeit, sondern der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegen. Hierdurch kann sichergestellt werden, dass die in kommerziellen Belangen meist versierteren Schiedsgerichte und nicht die ordentlichen bzw. Arbeits-Gerichte über den Rechtsstreit entscheiden.
2.4. Soweit die MEP-Dokumentation regelt, dass im Falle eines Bad Leaver Events der Rückerwerb der MEP-Anteile zum Buchwert bzw. zu einem die Anschaffungskosten potentiell unterschreitenden Verkehrswert erfolgen soll, kann dies ein potentielles Einfallstor für eine Unwirksamkeit der Regelung darstellen. Aus der vergangenen Rechtsprechung des BGH lässt sich erkennen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine solche Klausel als unangemessen benachteiligend und damit als unwirksam qualifiziert wird. Um dieses Risiko zu minimieren, erscheint es im Einzelfall opportun, auch bei einem Bad Leaver Event eine gewisse Mindestverzinsung und damit einen Rückerwerbspreis über dem Buchwert zu gewähren.
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